21. Dezember 2010

Meine Mutter IST "Inception"


Dominic Cobb glaubt die Kenntnis des Prinzips von "Inception" gepachtet oder gar erfunden zu haben. Er liegt falsch. Es war meine Mutter.

Ich habe meinen Eltern nach dem Kinobesuch "Inception" ans Herz gelegt, ich war davon überzeugt, der Film würde ihnen gefallen. Mein Vater fand ihn gut, meine Mutter hat ihn nicht verstanden. "Könntest du mir "Inception" erklären? Ich hätte dieses Glas Wein nicht trinken sollen, bevor ich ihn angeschaut hab", sagte sie am Telefon. Ich versuchte 20 Minuten lang die Handlung aus dem Kopf zu repetieren und wies darauf hin, was wichtig ist und was nicht. Als von der anderen Seite der Leitung nur stumme Verwirrung kam, versprach ich ihr "ich mach dir eine Zeichnung".

Wie wenig wusste ich damals, dass ich die war, die nicht verstanden hatte. Aber jetzt ist mir alles klar.

Diesen Sonntag traf ich mich zum Brunch mit ein paar alten und neuen Freunden auf dem Feuerschiff. Das riesige Frühstücksbuffet und meine freundliche Begleitung und Tischnachbarn stimmten mich enorm gut gelaunt. Der Speck und das Rührei waren hervorragend. Jedenfalls liess ich mich durch die angenehme und vertraute Stimmung (und weil gerade das Thema Mütter aufkam) dazu hinreissen, ein bisschen von meiner Mutter zu erzählen. Sie sieht ungeheuer jung aus für ihr Alter, ist superlieb, nett, hält jedoch nicht wenige wichtige Stellungen im Berufsleben, die Entscheidungswillen und Soziale Kompetenz fordern. Sie arbeitet viel und ist trotzdem mit vollstem Herzen für die Familie da. Und da ist noch was...
"Meine Mama macht keinen Hehl daraus, dass sie sich von ganzem Herzen wünscht, Grossmutter zu werden und das am Liebsten so schnell wie möglich.", erzählte ich. Seit ich 15 war, muss ich mir anhören, dass sie in meinem Alter meinen Vater getroffen hat. Seit ich 19 war musste ich mir anhören, dass sie in meinem Alter praktisch schon verheiratet war. Seit ich 21 war musste ich mir anhören, dass sie in meinem Alter schon verheiratet war und seit ich 22 wurde, muss ich mir anhören, dass sie in meinem Alter mich schon hatte. Und wenn ich mit 12-15 unverhofft schwanger geworden wäre, hätte sie sich ernsthaft gefreut! (und mir geholfen, das Kind großzuziehen, das versicherte sie mir immerzu.)

Das sorgte für ein paar Lacher am Tisch (was soll daran lustig sein? Versetzt euch mal in meine Lage!) und ich dachte nicht weiter darüber nach. Am Abend telefonierte ich mit meinen Eltern und meine Mutter sagte prompt "Weißt du, was heute für ein Tag ist? Heute vor 29 Jahren habe ich deinen Vater zum ersten Mal gesehen!"

Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Meiner Mutter muss ich "Inception" nicht erklären! Sie betreibt "Inception" bei mir seit ich 15 bin! Bis jetzt konnte ich mich erfolgreich gegen den Gedanken wehren, jemals Kinder haben zu wollen. Ich war die überzeugteste Kinderlosbleiberin die man sich nur vorstellen kann. Und vom Gedanken einer Heirat war ich weiter entfernt als Kim Jong Il von gesundem Menschenverstand. Fragt man mich aber mittlerweile wie ich mich selber sehe in wenigen Jahren, sage ich bis 28 möchte ich meine berufliche Karriere aufbauen und viel reisen und dann so ab 30 aufwärts möchte ich mit meinem Mann mein Kind großziehen.

Meine Mutter hat es geschafft, den Samen der Idee in meinem Kopf zu pflanzen. Ihre "Inception" war so erfolgreich verlaufen, wie man sich nur vorstellen kann.
Und sollte ich eines Tages mit meiner Tochter vor dem Fernseher sitzen und "Inception" im Werbungsfreien 3D-TV-Abendprogramm anschauen, werde ich mich darüber ärgern, wie einfach es meine Mutter fertig gebracht hatte, mich zu manipulieren.

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