31. Januar 2011

Side Quest Saturday - Das Internet

Ihr kennt das bestimmt. Extreme Grenzerfahrungen wie ein Fastunfall zum Beispiel, ein Bungee-Sprung oder ein leerer Kühlschrank an einem Samstagabend allein zu Hause.
Nun, ich hatte knapp zwei Wochen kein Internet. Und das hätte übelst ins Auge gehen können...

Alles begann am Samstag auf dem Weg zum Friseur. Ich las ich auf Twitter: "@ Aha zuletzt online vor 18 Tagen bei Xbox Live!" Unmöglich. Gerade gestern wurde ich sitzen gelassen von meiner vermeintlichen Verabredung und hab statt dessen "Assassins Creed" gespielt! Und den Tag davor wurde ich sitzen gelassen von einer anderen Verabredung und hab aus Frust zwei Stunden in "Dragon Age" mit der Suche nach einem Sidequest verbracht! 18 Tage kein Xbox Live? Wie ist das möglich?

Zu Hause (diesmal verlief der Friseurbesuch /fast/ ohne Zwischenfälle*) wollte ich der Sache auf den Grund gehen. Aber erst einmal musste ich den Laptop einschalten, denn ich hatte zwei Wochen an US-Serien nachzuholen. Und da erschloss sich schon fast das Problem: Kein Internet. Eine nette Fehlermeldung war da: Irgendwas mit IP-Adresse. Aber kein Internet.

Ich schaltete den Laptop aus und wieder ein. Kein Internet. Ich nahm den PC vom Netz und schloss ihn wieder an. Kein Internet. Ich schaltete den Router aus und wieder ein. Da war es wieder, das Internet! Phuuuh.

Aber wie konnte denn das Internet nicht funktionieren, während Telefon und TV (die über das selbe "Gerät" (ich weiß nicht, ob es ein Router ist, ein Switch, ein Digital-Empfänger oder irgendwas anderes, deswegen schreibe ich lieber nichts, sonst werde ich noch als Technik-Noob geoutet) einwandfrei liefen?
Ohne der Sache noch weiter auf den Grund zu gehen loggte ich mich bei Xbox Live ein und nach nur 40 Minuten Systemupdate war alles beim Alten. "Heh! Kein Internet!", dachte ich. Und das wohl über zwei Wochen.

Ich will jetzt nicht der Ursache auf den Grund gehen, warum ich nicht bemerkt habe, dass ich zwei Wochen lang netzlos lebte (ich arbeite recht viel) sondern mir ausmalen wie es gewesen wär, /wenn/ ich es bemerkt hätte. Und ich kein iPhone hätte.

Und deswegen präsentiere ich euch:

18 Tage 17 Nächte - OHNE INTERNET

Das Tagebuch der Sarah Geser

Dienstag, der 11. Januar 2011.
Es herrscht Krieg. Die Atomuhr steht auf fünf vor Zwölf und Menschen auf der ganzen Welt sind hochgradig unzufrieden. Wir haben kein Essen! Wir haben keine coole Regierung! Wir haben AIDS! Wir haben eine Meuterei! Mimimimimimimi...
Doch das interessiert eine junge Frau hoch im Norden Deutschlands gar nicht. Denn sie hat ein viel größeres Problem. Gerade als sie Facebook aktualisierte erschien wie aus dem Nichts eine graue Seite:

"Was zum-...?", fragt sie sich. Aktualisieren. Aktualisieren. Ethernet-Kabel raus. Ethernet-Kabel wieder rein. Aktualisieren. Aktualisieren. Nichts.
"FFFFFFUUUUUUUUUUUU!", sagt die laut. "WARUM PASSIERT DAS AUSGERECHNET MIR? WARUM ICH, GOTT?! WARUM ICH?!" Okay, Ruhe bewahren. Einatmen, ausatmen, ganz ruhig.", versuchte sie sich selbst zu beschwichtigen. Das ist bestimmt nur temporär. Es gibt viele andere Sachen, die man machen kann! Aktualisieren. Aktualisieren. Router aus. Router wieder ein. Aktualisieren. Aktualisieren. Nichts. Stricken zum Beispiel. Oder Fernsehen. Mal raus gehen. Trainieren. Fernsehen. Xbox spie-... Die Xbox!
Das Mädchen hatte kürzlich im Tausch gegen "Fable III" als Leihgabe "Assassins Creed II" und "The Darkness" erhalten. "Hey, das könnte ich doch jetzt mal probieren!"

Mittwoch, der 12. Januar
Die ersten Stunden "Assassins Creed II" und "The Darkness" waren ganz in Ordnung. Das würde sie am Besten mal auf Facebook mit all ihren Freunden teilen. Freunde... das war ein gutes Stichwort. Warum vermisste sie andere Menschen so sehr? Erst mal bei Facebook einloggen und-...
"NEIN! GRAAARGH!", rief das Mädchen aus. "DIESE VERDAMMTE SCHEISSE DARF DOCH NICHT WAHR SEIN!" Wut stieg in ihr auf. Wut auf die Regierung, Wut auf andere Menschen. Wut auf einfach alles! Ohne Facebook hatte sie keine Freunde. Keinen Kontakt zur Außenwelt. Warum waren eigentlich die Rolläden am Fenster oben? Es ist viel zu hell!

Freitag, der 14. Januar
Ablenkung ist da. Die Eltern des Mädchens. Sie erzählte ihnen nichts vom nicht-funktionierenden Internet. Alles ist in Ordnung. Ihr geht's gut. Hauptsache alle sind gesund.

Montag, der 17. Januar
"Okay, ich schlage dir einen Deal vor:", sprach das Mädchen zu Gott. "Du gibst mir mein Internet zurück und ich gehe dafür nächsten Sonntag zur Kirche. Okay? Bitte!... Bitte!.... BIIITTTEEE!!!" Doch Gott schien nicht hinzuhören. Still war es in der Wohnung. Das Mädchen saß da, den Blick gen Himmel-... naja, Decke gerichtet. Sie senkte den Kopf. Wortlos und fast wie ein Roboter griff sie nach dem Telefon. "Hallo Teufel, na? Bock auf einen Deal? Nein, es geht diesmal nicht um meine Figur...", das Mädchen hörte hin. Stille schlug ihr entgegen. Nichts als drückende Stille. Moment! Kein Freizeichen? Hiess das, dass das Telefon jetzt auch-... FFFFFFFFUUUUUUUUUUUU!!!!!!

Freitag, der 21. Januar
Das Handy klingelte. Es klingelte. Es klingelte. Es klingelte. Es klingelte. "Hallo?", sagte Sarah müde. "Hallo, hier ist die Lou (ich bin die Geschäftsführerin von Popular, da wo du mal gearbeitet hast)." "Hrrrgh." "Wo bist du, du warst seit einer Woche nicht bei der Arbeit?" "Kann nicht." "Warum?" "Jemand muss die Kerzen vom Traueraltar um den Schreibtisch herum überwachen." "Den was-...?!" Das Mädchen legte auf. Sie seufzte. Das Handy klingelte schon wieder. Es klingelte. Es klingelte. Es klingelte. Es klingelte. "JA WAS DENN?!", schrie das Mädchen müde in ihr iPhone. "Hallo, hier Charley (deine einzige Freundin in Hamburg, die sich auch mal dazu herunter lässt, etwas mit dir zu unternehmen)." "Hrrrgh." "Ich spiele heute Abend auf der Audimax Bühne Theater. Willst du zuschauen kommen? Dann können wir danach noch was zusammen unternehmen." "Nein. ... Muss... Altar... ." Sie legte auf. Keine Menschen. Kein Außenkontakt. Kein Facebook. Kein Twitter. Kein Xbox Live. Kein Internet. Kein Leben. Nur sie und die Depression.


Freitag, 28. Januar
Wann habe ich zuletzt etwas gegessen? Wann habe ich zuletzt das Haus verlassen? Worin liegt der Sinn davon? Diese Fragen und viele mehr, stellte sich das Mädchen, während es im Bett lag. Das tat sie nun seit 10 Tagen. Aber es war egal. Alles war egal. "Es ist egal.", dachte sie plötzlich. "Das Internet ist weg. Aber ich lebe noch. Es ist egal.", sie erhob sich mühselig und langsam. "Das Internet ist weg, es wird nich wieder kommen.", sagte sie sich. "Aber es ist egal."
Es gibt einen Unterschied zwischen Resignation und Akzeptanz. Und ganz langsam, aber nur langsam begann das Mädchen ihren Verlust zu akzeptieren. Ihr Name war Sarah Geser. Und sie lebte seit 17 Tagen ohne Internet. Nein, sie würde den Frust und die Verzweiflung nicht mehr stumm in sich hinein fressen und den Schmerz still ertragen. Das Internet war fort und es würde niemals wieder kommen. Das musste sie akzeptieren. Es war nicht ihre Schuld. Es war niemandes Schuld. Vielleicht war der Verlust ein Samen, aus dem etwas Gutes sprießen konnte. Trost. Heilung. Persönlichkeits-Wachstum. Sarah würde das Internet in guter Erinnerung behalten. Das war sie ihm schuldig.
Aber es war Zeit, weiter zu gehen.
Ohne stehen zu bleiben.
Ohne zurück zu blicken.
Es kann nicht immer ein Happy-End geben.
Wir sind hier nicht bei fucking Twilight.

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