30. November 2010

Side Quest Saturday - Der Teppich


Samstag ist der schönste Tag der Woche. Ich hab oft frei und die Läden sind geöffnet. Samstags steh ich normal früh auf und erledige Dinge, die ich die ganze Woche / den ganzen Monat / seit ein paar Monaten aufgeschoben hab. Sonntag ist Ausschlaftag, aber der ist nicht so wichtig.
Jedenfalls wurde Samstag deswegen für mich zum "Side Quest Saturday".

Diesen Samstag führte mich mein Sidequest nach "Billwerder-Moorfleet" was keine Bezeichnung ist für eine Heirat, die aus namentlichen Gründen nie geschehen hätte dürfen, sondern ein Ort in Hamburg. An diesem Ort findet man den Traum jeder Hausfrau, die Erfüllung der innenaustatterischen Ambitionen jedes Studenten, ja, den kulinarischen Treff- und Höhepunkt für Harz II-IV-Empfängergroßfamilien und mein persönlicher personifizierter Samstagsshoppingaltraum: IKEA.

Die Sache ist die: Vor diesem Möbelgruselhaus-Besuch fürchtete ich mich wochenlang. Aber meine lieben Großeltern haben mir im Oktober aus Gutmütigkeit (und dank der hochrangigen Überzeugungsfähigkeiten meines Vaters) angeboten, einen Teppich zu kaufen. Zur Feier des Bezugs meiner ersten eigenen Wohnung (Juni). Das ist eine enorm seltene Gelegenheit, denn meine Großeltern sind nicht direkt die freigiebigsten Menschen. Tatsächlich kommt deren Knausrigkeit der von Dagobert Duck ziemlich nahe, nur dass sie kein Geld haben. Ich schätze so ist das, wenn man in eine Nachkriegszeit hineingeboren wird. Funny Fact: Mein Großvater hat aus diesem Grund noch nicht einmal eine Geburtsurkunde, er hat kein Alter und keinen Geburtstag. Wir feiern ihn aber jedes Jahr an irgendeinem Tag zwischen dem 6. und 12. Dezember.

Ein Teppich war ein ganz wunderbares Einweihungsgeschenk, denn das Letzte, was ich mir an Einrichtung für eine erste Wohnung kaufen würde, ist ein Teppich. Dabei habe ich in meiner Wohnung ständig kalte Füße und ein flauschiger Teppich vor meinem riesigen Fernseher wär eigentlich ganz nett. Da für mich eine Wohnungseinrichtung aber aus einem Bett, einem Fernseher, einem Fernsehertisch für die Xbox, den Receiver, das Modem und den Blu-ray Player, einem Schreibtisch und einem großen Regal für DVDs besteht, habe ich nie an einen Teppich oder an Sitzgelegenheiten für mögliche Freunde gedacht. Sitzgelegenheiten und Freunde hab ich immer noch nicht.

Jedenfalls rief mich meine Mutter (ihr kennt sie ja) letzte Woche an und drängte mich dazu, endlich den Teppichkauf in Angriff zu nehmen, denn die wohlgemeinten Angebote meiner Großeltern sind nicht nur selten, sondern auch zeitlich begrenzt, bis sie es vergessen. Also nahm ich diesen Samstag den Teppichkauf in Angriff.

Ich hatte Angst davor, mich alleine auf diese gefährliche Reise zu begeben. Mit einem Teppichkauf ist nicht zu spaßen und er ist keinstenfalls zu unterschätzen. Man muss erst einmal den Transport berücksichtigen. IKEA ist in (am? auf dem? beim?) Billwerder-Moorflet, meine Wohnung ist in der Stadtmitte. Habe ich Freunde mit einem Auto? Nein, ich habe einen Freund von einem Freund mit einem Auto, aber den getrau ich mich nicht anzurufen, weil ich auf ihn stehe. Ich überlegte den Problemfall auf die Deutsche Art zu lösen: Ich warte bis es so weit ist, und schaue dann weiter.

Also fuhr ich mit der Bahn zu IKEA. Dort fand ich auch sofort einen Teppich der mir gefiel. Sein Name war KARBY und er war Kackbraun und Beige. Bei genauerer Betrachtung fiel mir aber auf, dass er mir gar nicht gefiel, sondern nur der Preis von 15 Eur. Aber da ich es nicht selber zahlen musste, guckte ich mich weiter um. HULDA VILSE hatte es mir angetan, aber irgendwie war mir das Design zu wagemutig. Ich bin ein langweiliger Mensch, ich habe eine karg eingerichtete Wohnung, da kann ich nicht mit einem so lebendig gemusterten Teppich antreten. Was sollend die Leute von mir denken? GILDA KVÄLL gefiel mir richtig gut und fühlte sich an, als würde man hundert herzige Schafe streicheln. Leider ist er zu bunt. Und gegen Farben wehre ich mich sowohl bei der Einrichtung als auch bei meiner Ausstattung beharrlich. Aber er war so schön! Und flauschig! Und... teuer! Über 100 Euro für einen Teppich, das geht nicht! Auch wenn es eindeutig der Teppich meiner Träume ist (was es bis vor 5 Minuten gar nicht gab). Doch dann fand ich ihn. Sein Name war HAMPEN, er war weiß und flauschig. 'Nuff said.

HAMPEN kam auch relativ günstig mit 39 Euro und war für mich somit moralisch gerade noch vertretbar. Ich will meine Großeltern ja nicht ausnehmen.
Als ungeübte Teppich-Sliderin (vielleicht kennt ihr die Sensation, mit etwas Schuss einen Teppich zu betreten, der unfixiert auf einer Linoleum oder Parkettfläche liegt. Es ist ein fantastisches Gefühl eines kurzen Moments völliger Schwerelosigkeit, bevor man mit dem Rückgesäß auf dem Boden aufschlägt, was dem Erlebnis jeweils einen nachhaltig schmerzhaften Aspekt zufügt.) wusste, dass Teppiche rutschsichere Unterlagen brauchen. "Sind aus.", informierte mich der IKEA-Angestellte höflich. Tja...

Ich ging zur Kasse und stellte mich in die Selbst-Eincheckschlange. Ein älteres Ehepaar größerer physischer Ausmasse gesellte sich hinter mich. "Ne, Klaas, dat is dje... Hier mut man selber bezahlen!", sagte die Frau entrüstet und wechselte zu einer normalen Kasse. Cool, muss man dort nicht selber bezahlen? Würde mich irgendwie wundern. Egal. Ich bezahlte und ging. Glücklicherweise findet sich neben IKEA direkt ein Bauhaus-Markt. Ein riesig großer Laden, mit Dingen, die man Frauen wie mir lieber nicht in die Hand geben oder zeigen sollte. Es sei denn, es besteht zu irgendeinem Teil aus LED-Lämpchen.

Ich schleppte meinen Teppich quer durch den Bauhaus-Markt und suchte nach der Teppich-Abteilung. In der Teppich-Abteilung erklärte ich den Teppich-Abteilungsinformanten wonach ich suchte. Was suchte ich denn eigentlich? "Hallo, ich suche so eine Rutschunterlage für den Teppich", sagte ich. "Also eigentlich eher eine Anti-Rutschunterlage." "Besser so." "Haha, Sie sind ein Spaßvogel!" Letzteres dachte ich nur, sagte es aber nicht. Ich schnappte mir eine Rutschfeste Unterlage und ging damit und mit dem Teppich zur Kasse. Ich bezahlte die Unterlage und spazierte aus dem Laden. Wenn man hier ungefragt mit einem Nicht-bezahlten Teppich herauspazieren kann... klappt das dann auch mit einem unbezahlten Kärcher? Wozu brauche ich einen Kärcher?

Zwischen IKEA und Bauhaus war ich noch davon überzeugt, den Teppich alleine nach Hause schleppen zu können, ohne ein Taxi rufen zu müssen. Auf halbem Wege der 5km Strecke von Bauhaus bis Bahnhof war ich mir nicht mehr so sicher. Meine Finger waren nicht nur durch- sondern weggefroren, mein Tragarm schmerzte und der weniger belastete Arm schien aus Solidarität beim Schmerz- und Anstrenungsmarathon mitzumachen. Sehr uncool von euch, liebe Arme. Sidequests sind nicht einfach, soviel ist klar, also sollte ich mich weniger beschweren und einfach froh sein, dass mein Weg nicht noch von Wegelagerern, Bogenschützen oder Darkspawn gesäumt war.

Am Bahnhof stieg ich in die S-Bahn die direkt zu mir nach Hause fährt. Und an meinem Wohnzimmerfenster vorbei, wenn man eine Station zu spät aussteigt. Leider fuhr die S-Bahn HEUTE nicht zu mir nach Hause. Am Hauptbahnhof quetschten sich Tausende von Fussballzuschauern in die S-Bahn, von denen nicht wenige "Teppich!" bemerkten. Und dann fuhr die Bahn zum Jungfernstieg, der Reeperbahn und Altona statt Dammtor, Holstenstraße und Elbgaustraße. Nachdem ich das schwere Stück Scheiße von HAMPEN quer durch Altona geschleppt hab, konnte ich dann doch noch meine Bahn bis zu mir nach Hause nehmen. Nur aus der komplett falschen Richtung.

Zu Hause rollte ich HAMPEN stolz aus und stellte dann PELLO drauf. Es sah gut aus. Weiß und flauschig ist eine hervorragende Kombination! Ich rief meine Eltern an. "Ja, also ich hab heut einen Teppich gekauft." "Wieviel hat er denn gekostet?", fragte mein Vater fürsorglich, denn die Frage "Was kostet's?" ersetzt bei ihm "Wie geht es Dir?", "Wie fühlst du dich?", "Was machst du so?",
"Wie war dein Wochenende?" und "Wie waren deine Ferien?". Ich beschloss, ihm deswegen einen kleinen Schrecken einzujagen: "150 Euro." "..."
"Nein, Scherz, 39 Euro, Plus 8 Euro für die Rutschfeste Unterlage, Transport hab ich keinen gebraucht."
"Kein Problem, der alleine hätte ruhig auch 150 Euro kosten können."

FFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFFUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUU

*Congratulations, Quest Completed.*


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